Vorsicht: romanverdächtig!!
Alles fing an mit einer super Idee: "Jesus Christ Superstar" sollte ein Gastspiel in München geben, bei dem auch der GirlsChoir mitspielen durfte. Ich in meinem fernen Estland war absolut neidisch, weil ich auch so gern nach München wollte. Und aus diesem Neid entwickelte sich der Gedanke, dass ich doch einfach mitfahren könnte. Es wurde also organisiert und telefoniert und schließlich erhielt ich die Zusage, dass ich mitmachen darf. Dank heutiger Billigfluggesellschaften konnte ich ziemlich günstig von Riga aus buchen und die Vorfreude war groß.. Aber dies wäre nicht meine Geschichte, wenn alles so einfach geklappt hätte: losfliegen, nach München fahren, singen, zurückfliegen... Wäre ja auch einfach viel zu langweilig.. Deswegen kam alles etwas anders...
Mein Plan war es am Samstag (16.3.) von Riga nach Berlin zu fliegen. Um rechtzeitig in Riga anzukommen, musste ich einen zeitigen Bus von Tartu aus nehmen.. Darum wollte ich Freitagabend bereits nach Tartu fahren und dann am nächsten Morgen losfahren.. Ich also Freitag dagesessen und mein Zeug gepackt und mich fertig gemacht. Dann der große Schock: Wo ist mein Reisepass? - Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich 2 Stunden durch die gesamte Wohnung gerannt bin, um diesen blöden Pass zu finden.. Meine beiden Mädels wurden direkt mit einbezogen und wir haben jeden kleinsten Miniwinkel durchforstet (und dabei nicht mal vorm Kühlschrank halt gemacht), das Ding war WEG! Ich natürlich total am Boden gewesen.. Ohne Pass konnt ich nicht fliegen, klar.. In Gedanken sah ich schon, wie ich die Woche doch in Estland verbringen muss.. Und was macht man in einer so ausweglosen Situation? - Richtig! Man ruft erst mal die Mami an und klagt sein Leid. Haben dann gemeinsam hin und her überlegt, bis mir die Idee kam: Hey, es fahren doch Busse von Estland direkt nach Dresden.. Und da nun auch seit Schengen die Grenzen offen sind, wäre das doch ne Lösung.. Also kurzerhand nach ner Verbindung gesucht. Natürlich gabs bei meinem Glück keinen Platz mehr in der Direktverbindung von Estland aus. Es war aber noch Platz von Riga aus... Ich musste also irgendwie bis Samstagmorgen nach Riga kommen.. Dafür gab es nur eine einzige Möglichkeit: den Bus von Pärnu aus.. Der ging allerdings 2.20 Uhr! Es war zu dem Zeitpunkt ca. 21 Uhr und es fuhr definitiv kein Bus mehr nach Pärnu. Meine einzige Hoffnung lag bei meiner lieben estnischen Freundin, der Jaanika. Sie konnte mir aus der Patsche helfen, indem sie ein Auto organisierte... Die Reise startete also nachts um 12 in Viljandi. Zusammen mit Andrea, Jaanika und 2 Freunden fuhr ich also nach Pärnu. Ich war so dankbar und müde und aufgeregt und alles zugleich.. In Pärnu stieg ich dann in den Bus und ab gings Richtung Riga. Nachdem ich ein bisschen rumgedöst habe, hielt der Bus plötzlich, die Lichter gingen an und eine Dame stand vor mir und forderte mich auf, meinen Reisepass zu zeigen... Ähm... Ja, schade, ich hatte ja nun kein Dokument. Mein einziger Ausweg: mein estnischer Ausweis... Ich also den Ausweis hingehalten in der Hoffnung, dass die gute Frau nicht merkt, dass das Ding nicht als Reisedokument gültig ist... Die ließ sich aber natürlich nicht so einfach verarschen und wies mich darauf hin, dass sie einen richtigen Pass oder Ausweis benötigt... Ich also angefangen rumzujammern, dass ich das doch nicht gewusst hätte und dass ich nun gar nicht weiß, was ich machen soll und ich muss doch unbedingt nach Hause... Da fragte sie mich, wo ich denn noch hinwöllte.. Und als sie hörte, dass ich noch bis Deutschland möchte, sah ich nur das hämische Grinsen auf ihrem Gesicht: "Dann brauchst du sowieso nen Pass" - Mit diesen Worten schmiss sie mir meinen Ausweis hin und ging... An dieser Stelle hätte der gesamte Trip eigentlich schon beendet werden können.. Ich habe es also nur der Faulheit einer Grenzkontrolleurin, die sich wahrscheinlich dachte, dass sich doch andere Leute mit meinem Fall beschäftigen sollen, zu verdanken, dass ich weiterfahren konnte... In Riga hatte ich einen 6-stündigen Aufenthalt. Das wäre an sich nicht so schlimm gewesen, denn Riga ist ne schöne Stadt. ABER: ich war hundemüde, es war kalt, in den ersten Stunden rannten überall Besoffene rum die einen blöd vollgepöpelt haben und es hatte auch nichts offen, wo ich mich hätte reinsetzen können.. Ich also mit meiner Tasche und meinem Beutelchen durch die Stadt gelaufen und die Sekunden gezählt.... gegen halb 6 bin ich dann zur Busstation und habe mich dort ein Stündchen zu den Obdachlosen gesellt, die auf den Stühlen geschlafen haben... Um 7 machte endlich das McDonalds auf =) In diesem Moment habe ich doch tatsächlich eine sehr große Zuneigung zu Kaffee entwickelt... Und es geschafft, an so einem kleinen Becher über ne Stunde zu trinken =) Danach kam dann Leben in die Stadt.. Die Supermärkte und Geschäfte haben aufgemacht und somit ging dann die restliche Zeit bis halb 11 relativ schnell um.. Endlich konnte ich zum Bus gehen, der mich nach Dresden bringen sollte... Ich ging zur Stewardess mit meinem Ticket und war froher Dinge, da fragt sie mich doch nicht etwa nach meinem Ausweis.. AHH!! Naja, blieb mir nichts anderes übrig als wiederum meinen estnischen Ausweis hinzuhalten und zu hoffen, dass sie nichts merkt... Und, Glück gehabt.. Bin wirklich durchgekommen.. Endlich saß ich im Bus... Ich war total erleichtert und wollte einfach nur noch nach Hause. Vor mir lag ne lange Fahrt. Ich war frohen Mutes, als wir die litauische Grenze ohne Schwierigkeiten überquert haben und außer eingeschlafenen Füßen lief alles gut... Doch dann kamen wir in die Nähe der polnischen Grenze. Und da hatte ich ja schon ganz schön Schiss... Ich saß da mit einem wahnsinnigen Herzklopfen und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass wir doch endlich diese blöde Grenze überqueren. Natürlich hatte der nette Busfahrer nichts besseres zu tun, als direkt an der Grenze noch mal ne halbe Stunde Pause zu machen.. WAHH!!! Ich saß dort da wie auf heißen Kohlen und hatte einen Schweißausbruch nach dem anderen. Dann endlich gings los. Vor uns fuhr noch ein Bus und er fuhr direkt durch und war weg. Ich schon total glücklich, dass es doch so einfach geht, da hält doch nicht genau vor uns das Auto mit den Grenzbeamten.. Bus hält, Lichter gehen an, Bitte halten Sie ihre Ausweise bereit!! TOLL! Ich mir in Gedanken ausgemalt, wie ich vor den Kontrolleuren auf die Knie falle und heule und ihnen von meiner totkranken Mutter erzähle und dass ich UNBEDINGT nach Hause muss... Es waren 3 Männer. Sie kontrollierten erst ein paar Gepäckstücke aus dem Bus und wollten dann in den Bus hineinkommen, um die Ausweise zu kontrollieren.. Und in diesem Moment geschah ein Wunder, bei dem ich mich jetzt noch frage, womit ich soviel Glück eigentlich verdient habe.. Also, die Leute wollten gerade in den Bus einsteigen, da spazierten dort im Grenzgebiet 4 Verrückte umher: 3 Kerle und ein Mädel... Die liefen da einfach lang, lachten laut und scherten sich um nichts.. Die Grenzmänner natürlich direkt zu denen hin um ihnen zu erklären, dass sie dort nicht einfach so rumspazieren dürfen.. Ich glaube, die 4 waren ganz schön angetrunken, denn sie fingen an zu diskutieren und Stunk zu machen... Und somit passierte es doch wirklich, dass die Männer uns ein Zeichen gaben, dass wir doch schon weiterfahren sollten, weil sie erst mal genug mit den 4 Leuten zu tun hatten... Lichter gingen aus, Türen zu, Bus fuhr los!! Ich schätze, dass niemand auch nur annähernd nachvollziehen kann, wieviele riesige Gebirge mir in dem Moment vom Herzen gefallen sind.. Das Gefühl kann ich echt gar nicht beschreiben, es war einfach nur eine riesige Erleichterung!! Ja, der Rest der Reise verlief dann zum Glück nicht mehr ganz so spektakulär. Es wurde dann Abend und natürlich hatte ich genau dann, wo es in die Schlafphase ging, eine dicke, schnarchende Frau neben mir sitzen.. Aber selbst das war mir eigentlich egal, hauptsache wir kamen Dresden immer näher.. Vor der deutschen Grenze hab ich dann noch mal kurz gezittert, aber da gings ohne Probleme drüber... Schließlich kam ich pünktlich 7.30 (32,5 Stunden, nachdem ich in Viljandi losgefahren war) in Dresden am Hauptbahnhof an..... Dort warteten schon meine Eltern und ich war einfach megaglücklich, dass ichs bis nach Hause geschafft hatte...... Wer sich an dieser Stelle jetzt denkt: "Die Maria hat doch echt nen Schuss, wer fährt denn bitte ohne gültiges Dokument gleich über 4 Grenzen?", dem geb ich absolut recht... Im Nachhinein find ich die gesamte Aktion ziemlich verrückt.. Und ich glaube, wenn ich vorher mehr Zeit gehabt hätte drüber nachzudenken, was ich da eigentlich vorhabe, wär ich nie losgefahren, aber das war ja alles mehr oder weniger innerhalb von Minuten beschlossen worden.. Aber naja, ich bin angekommen, habs überstanden und werde so etwas definitiv NIE WIEDER machen!!!!
Tja, nun war ich also in Deutschland. Das erste Mal nach über 7 Monaten.. Schon ein eigenartiges Gefühl. Plötzlich konnte ich wieder alle Leute um mich rum verstehen.. Plötzlich hat keiner verstanden, wenn ich "Tere" gesagt habe.. Plötzlich sah ich wieder vertraute Gesichter von Familie und Freunden... Es war schön, aber trotzdem komisch und auch ein bisschen verwirrend...
Da ich nun nicht wie geplant am Samstag sondern erst Sonntag in Dresden angekommen bin, blieben mir leider nur 4 Stunden in der Heimat. Diese 4 Stunden wurden genutzt um Oma zu überraschen (diesen Gesichtsausdruck werd ich mein Leben nicht vergessen.. sehr schön =)), zum Bäcker zu gehen und frische Brötchen zu holen (ein Luxus, der in Estland leider etwas rar ist), in der Badewanne zu faulenzen (nach 8 Monaten ohne Badewanne eine wahre Wonne) und noch schnell den letzten Kram zusammenzupacken... Als ich in unsere Wohnung kam, hatte ich ein sehr interessantes Erlebnis: Ich habe zum ersten Mal meine Familie gerochen... Also, man kennt das ja, dass es bei anderen Leuten in der Wohnung immer so einen speziellen Geruch gibt, den man dann auch wirklich immer nur diesen Leuten zuordnet. Und nach mehr als 7 Monaten ging es mir nun so, dass ich diesen Geruch in meiner eigenen Wohnung wahrgenommen habe.. Das war schon bisschen komisch...
Dann gings direkt weiter zur Staatsoperette, wo schon der BUS bereitstand, der uns nach München bringen sollte... Könnt ihr euch sicher denken, wie sehr ich mich gefreut habe, endlich mal wieder Bus zu fahren... Naja, nach weiteren 6 Stunden war es dann überstanden. Wir waren in unserem tollen Hotel, hatten schon gar keine Energie mehr vom vielen Quasseln und ich war einfach nur sehr froh, als ich am Abend nach ca. 60 Stunden endlich in mein Bett fallen konnte..
Die Woche in München war dann echt super. Wir hatten sehr viel Zeit die Stadt zu erkunden (ich war ja noch nie dort), waren im Olympiapark, auf dem Marienplatz, am Stachus, auf dem Viktualienmarkt, in der Frauenkirche, an der Uni, im Deutschen Museum und noch viele andere Orte, die ich alle gar nicht aufschreiben kann.. Wir hatten traumhaftes Wetter und es war einfach nur schön..
Auch schön war der Fakt, dass während der Zeit in München die Fastenzeit vorüberging und ich nach 45 Tagen gut gelaunt mein erstes Stück Schokolade genießen konnte =)
Noch schöner waren allerdings die Vorstellungen, der Grund, warum ich überhaupt die ganze Reise auf mich genommen habe... Es war wirklich der Hammer. Wir haben im Prinzregententheater gespielt. Das Theater an sich ist ja schon mal atemberaubend.
Es erinnert ein bisschen an die Semperoper und es war einfach ein krasses Gefühl, als ich zum ersten Mal dort auf der Bühne stand und das ganze auf mich hab wirken lassen. WOW! Das Theater bietet Platz für 1200 Zuschauer...
Das tolle daran: Wir hatten 6 Vorstellungen und die waren jedes Mal AUSVERKAUFT! Somit haben auch wirklich jeden Abend fast 1200 Leute sich das Stück angesehen. Das ist der Wahnsinn! Und wir haben auch echt super Kritiken bekommen und die Münchner verstehen es auch einen richtigen Applaus zu geben =)
Es hat so gut getan wieder meine Mädels zu sehen und mit ihnen gemeinsam zu singen (und ich konnte sogar noch alle Texte und Noten =)) und auf der Bühne zu stehen und dieses ganze "Jesus"-Feeling mal wieder zu haben. Oder auch einfach nur so Kleinigkeiten, wie der Geruch als ich das erste Mal wieder in der Maske war..
Außerdem war auf der Tour auch noch der liebe Philipp dabei.. Schön nach 8 Monaten mal wieder ausgiebig mit dem besten Freund zu quatschen. Und es war auch noch das erste Mal, dass wir gemeinsam auf der Bühne standen, total lustig =)
Es war einfach richtig toll und ich bin sehr sehr froh, dass ich bei der Tour dabeisein durfte!Allerdings muss ich sagen, dass es auch sehr anstrengend ist 6 Tage hintereinander zu singen.. Darum war es dann auch in Ordnung als es am Sonntag wieder Richtung Dresden ging. Es war ja Ostersonntag, aber leider kamen so überhaupt keine Ostergefühle auf. Im Gegenteil: Als wir so durch die weiße Schneelandschaft fuhren, fingen sogar einige an Weihnachtslieder zu singen..
In Dresden angekommen blieb nicht viel Zeit zum Ausruhen. Es ging direkt zur anderen Oma, die auch noch richtig schön überrascht werden sollte (was auch super gelungen ist) Abends gab es noch ne gemütliche Pizzarunde in Familie und nen kurzen Besuch von meiner lieben Marie. Dann ging es gestern früh schon wieder nach Estland. Meine Familie hat mich früh nach Berlin gefahren und von dort durfte ich dann völlig unspektakulär mit deutschem Perso nach Riga fliegen =) Ich war also erneut in meinem "geliebten" Riga und erneut durfte ich einen BUS besteigen, der mich nach Pärnu gebracht hat. Estland empfing mich mit einem strahlend blauen Himmel und da ich in Pärnu noch Wartezeit hatte, konnte ich sogar das tolle Wetter noch am Meer genießen..
Dann gings endlich nach Viljandi und gegen 20 Uhr war ich dann schließlich wieder bei mir zu Hause!!!
Jetzt werde ich meine neugewonnene Energie nutzen um auch die letzten nicht mal mehr 3 Monate noch so schön wie möglich zu gestalten und noch so viel wie möglich aus der verbleibenden Zeit herauszuholen... Wobei ich sagen muss, dass es mir an Aufregung erst mal reicht, es darf also gern etwas ruhiger sein =)